KOLUMNE // Urlaubsstress und die Schlacht am Hotelbuffet

Urlaub bedeutet pure Entspannung. Relaxen, sich treiben lassen und sämtlichen Alltagsstress mühelos an sich abprallen lassen. Zumindest in der Theorie. Aber wie sieht das eigentlich in der Praxis aus?

Tja, ganz anders. Womit ich natürlich keinesfalls sagen möchte, dass Urlaub nicht entspannend ist. Was ich damit sagen möchte ist einzig und allein, dass man, um das höchste Level – den vollkommenen Urlaubsmodus – zu erreichen, einige Hürden überwinden oder zumindest über gewisse Dinge großzügig hinwegsehen muss.(Kleiner Disclaimer: Es folgt eine überspitzt dargestellte und keinesfalls böse gemeinte Beschreibung diverser Situationen, die sich natürlich nicht ganz genau so abgespielt haben.)

Die Vorfreude auf den lang ersehnten und wohlverdienten Urlaub steigt, die Koffer sind gepackt und mit Mühe und Not sogar erfolgreich geschlossen worden, der Stau auf dem Weg zum Flughafen ist überwunden und endlich, endlich stehen wir am Check-In-Schalter, um unsere Koffer abzugeben. An sich keine große Sache, wäre da nicht die Großfamilie samt Oma, Opa und sichtlich schlecht gelauntem Hund in der Reisebox, die seit mindestens zehn Minuten einen der zwei offenen Schalter blockiert. Offensichtlich gestaltet es sich schwierig, den Hund zusätzlich zum regulären Gepäck einzuchecken und der Familie diesen Sachverhalt für alle Mitglieder verständlich darzulegen. Das ist der Moment, in dem ich zum ersten Mal meinen Plan anzweifele, mir einen Hund zu kaufen. Und während ich noch darüber sinniere, ob ich mit Hund jemals wieder in den Urlaub fliegen kann, wie ich das arme Tier in eine enge Box zwängen und wie es im Bauch eines riesigen Flugzeuges verschwinden würde, wird Gott sei Dank einer der Schalter frei und ich kann mein Gepäck vertrauensvoll in die Hände des Flughafenpersonals geben.

IMG_5508Da unser Flieger in unmenschlicher Frühe startet, haben wir natürlich noch nicht gefrühstückt und müssen uns am Flughafen notgedrungen eine eher durchschnittliche, aber dennoch völlig überteuerte Streuselschnecke und eine ebenso durchschnittliche und noch überteuertere Flasche Wasser zulegen, bevor wir endlich gesättigt und zufrieden in die Maschine einsteigen können. Zufrieden bleiben wir so lange, bis wir diverse junge Elternpaare mit Baby und/oder Kleinkind entdecken, die sich ganz vorne, ganz hinten und natürlich auch um uns herum niederlassen. Während der Herr vor mir seine Lehne gemächlich zurückschraubt, um es sich selbst möglichst bequem und mir möglichst unbequem zu machen, stemmt das Baby hinter mir voller Wut seine kleinen, aber unerwartet kräftigen Füße in meinen Rücken. Nachdem ich ein theatralisches Stöhnen von mir gebe, habe ich plötzlich keine Lehne mehr vor dem Gesicht und auch keine Füße mehr im Rücken – na wenigstens das. Dafür entscheiden sich die Kinder im Flugzeug nun dafür, gemeinsam einen Heul-Kanon anzustimmen und während das auf dem gesamten Flug noch unzählige Male passiert, ärgere ich mich mal wieder darüber, dass ich mir immer noch keine Noise-Cancelling-Kopfhörer angeschafft habe.

Nachdem wir entsprechend gerädert am gewünschten Ziel angekommen sind und noch eine kleinere Reise im völlig überfüllten Flughafenbus über die gesamte Landebahn zurückgelegt haben, können wir unsere Koffer holen, den Flughafen verlassen und endlich den Weg zum Hotel antreten. Dort erwartet uns in der Eingangshalle ein Meer aus Koffern und Reisetaschen. Überall stehen frisch Angereiste – die meisten davon über 60 – herum, die sich irritiert umsehen und ganz offensichtlich überfordert mit der Situation sind. Die ersten von ihnen reihen sich in die Check-In-Schlange ein und ignorieren gekonnt, dass der Rezeptionist kein Deutsch spricht. Nachdem sie minutenlang stur auf Deutsch auf den armen Mann eingeredet haben, holt er sich deutschsprachige Unterstützung und endlich beginnt die Schlange, sich zu bewegen.

Nach einer Stunde können auch wir endlich in unser Zimmer einchecken. Wir bewundern die wunderschöne Einrichtung, packen unsere Koffer aus und beschließen dann, einen Spaziergang zu machen und die Ortschaft zu erkunden. Wir legen einen Zwischenstopp in einem Café ein, wo wir sündhaft teuren Sangria trinken und machen uns auf den Rückweg zum Hotel. Weil das Wetter heute noch nicht so mitspielt, beschließen wir, den Indoor-Pool statt dem Außenbecken aufzusuchen. Dort angekommen staunen wir zuerst über den schicken Whirlpool – diesen können wir allerdings nicht benutzen, weil sich die Leute darin schon fast gegenseitig auf dem Schoß sitzen und keinen Zentimeter Platz mehr für Neulinge lassen. Jeder Whirlpoolbegeisterte, der es wagt, sich dem Becken zu nähern, wird so lange mit Argwohn betrachtet, bis er sich freiwillig wieder entfernt. Wir beschließen also, lieber ein paar Bahnen im Schwimmbecken zu ziehen. Dort senken wir den Altersdurchschnitt gewaltig. Die Leute im Pool schwimmen gemächlich ihre Runden und verteilen sich dabei über das gesamte Becken, sodass wir notgedrungen hinter ihnen herschwimmen und den ein oder anderen kräftigen Tritt durch strampelnde Füße in Kauf nehmen müssen. Als ein älterer Herr beschließt, uns vorsätzlich den Weg abzuschneiden, mit Wasser zu bespritzen und sich dabei prächtig zu amüsieren, entscheiden wir uns, den Pool zu verlassen.

IMG_5509Nach dem mehr oder minder erfolgreichen Ausflug ins Schwimmbad ist es schon Zeit für das Abendessen. Wir nehmen im gut gefüllten Speisesaal Platz und bestellen ein Glas Wein. Als uns die Getränke gebracht werden, sind wir freudig überrascht über die Tatsache, dass die Weingläser hier großzügig bis knapp unter den Rand gefüllt werden. Das werden wir später noch brauchen – denn die Nahrungsbeschaffung am Hotelbuffet stellt sich als reinste Strapaze für die Nerven heraus. Während ich ungeduldig und mit knurrendem Magen in der Schlange am Vorspeisenbuffet stehe, versuche ich, zu meiner Vorderfrau, die erst in Seelenruhe alle Speisen studiert, um sich dann mit zitternden Händen von jeder spärlich aufzutun, einen höflichen Wohlfühlabstand zu wahren. Der Mann hinter mir nimmt das mit der Distanz nicht allzu genau. Das merke ich spätestens jetzt, wo ich seinen unangenehm lauten und feuchten Atem in meinem Nacken spüren kann. Als ich endlich an der Reihe bin, ist der lecker aussehende Nudelsalat, auf den ich mich während meiner gesamten Wartezeit gefreut habe, natürlich leer. Da ich auf keinen Fall noch länger hier herumstehen und auf neuen Salat warten will, entscheide ich mich, darauf zu verzichten und mich erst einmal mit alternativ beladenem Teller durch sämtliche Menschen und zurückgeschobene Stühle hindurch zurück zu meinem Platz zu begeben. Wie zu erwarten war, gestaltet sich das Szenario wenig später sowohl in der Hauptspeisen- als auch in der Dessertschlange ähnlich. Wir brauchen eine ganze Weile, bis wir endlich alles probiert haben, was wir essen wollten und gesättigt und doch erfreut über das sehr gute Essen auf unseren Plätzen sitzen. Nach dem Abendessen macht sich ein Großteil der über 70-Jährigen (und somit auch ein Großteil aller Hotelgäste) bereits auf den Weg in die Zimmer, sodass wir den Abend recht ungestört in der Hotelbar verbringen können, was wir erleichtert zur Kenntnis nehmen. Den hohen Anteil an Rentnern schieben wir darauf, dass wir eben in der Nebensaison in einem Erwachsenenhotel Urlaub machen – so müssen wir uns jedenfalls nicht mit schreienden Kleinkindern herumschlagen.

Nach einer erholsamen ersten Nacht im weichen Hotelbett geht es auf zum Frühstück. Dass sich hier in etwa das Gleiche abspielt wie am Abend zuvor, überrascht uns nicht. Nur, dass viele Hotelbesucher (allen voran die Engländer) beim Frühstück noch ausgehungerter und gieriger zu sein scheinen als beim Abendessen. Ein besonderer Höhepunkt des morgendlichen Buffets sind für viele offenbar die Spiegeleier – kaum werden sie frisch aufgefüllt, legen die normalerweise sehr gemächlichen Hotelgäste einen ordentlichen Zahn zu und stürzen sich darauf wie die Aasgeier. Natürlich nehmen sie auch nicht ein Spiegelei pro Kopf, sondern mindestens drei. Das hat entsprechend zur Folge, dass höfliche Normalos wie ich entweder auf ein Spiegelei verzichten oder ewig warten müssen. Ich beschließe, den Verzicht einfach in Kauf zu nehmen und mich stattdessen an den anderen, zahlreichen Frühstücksgerichten zu bedienen, die wirklich sehr abwechslungsreich, außergewöhnlich und vor allem lecker sind. Als wir mit prall gefüllten Tellern auf unseren Plätzen sitzen und uns das Essen schmecken lassen, kann uns nichts mehr aus der Ruhe bringen – nicht mal die Dame am Nachbartisch, die genüsslich ihr zusammengeklapptes Käsebrot in den Milchkaffee tunkt.

An diesem Tag entscheiden wir uns für einen kleinen Ausflug in die nächstgelegene Stadt. Wir besorgen uns einen Mietwagen – ein besonders „schickes“ Exemplar – und machen uns auf den Weg. Dort angekommen, fallen uns trotz Nebensaison zunächst die zahlreichen Touristen auf, die sich in den Souvenirshops bereits zur Genüge mit stilvollen „PORTUGAL“-Shirts eingedeckt haben und diese stolz über ihren Bierbäuchen zur Schau stellen. Nach einem kurzen Regenguss begegnet uns eine Gruppe Engländer, deren Mitglieder allesamt in kanarienvogelgelbe Ganzkörper-Regencapes gehüllt und sich überhaupt nicht dessen bewusst sind, dass sie mit diesem Auftritt die Blicke so ziemlich aller Anwesenden auf sich ziehen.
Wir spazieren durch die Stadt, amüsieren uns dabei prächtig über diverse Junggesellenabschiede, die schon mittags völlig betrunken durch die Gassen wanken, essen ein Eis, suchen ein paar Geschäfte auf und beschließen dann, die Rückfahrt anzutreten.

IMG_5511Zurück im Hotel bleiben uns noch einige Stunden bis zum Abendessen. Weil auch das Wetter mittlerweile mitspielt, beschließen wir, uns noch eine Weile an den Außenpool zu legen. Wir schmeißen uns in den neuesten Badeanzug, schnappen uns ein Handtuch und ein Buch und machen uns auf den Weg zum Pool. Dort müssen wir feststellen, dass so gut wie jeder außer uns Stunden vor dem Poolbesuch eine Liege mit einem Handtuch belegt und auf diese Weise sein Revier markiert hat. Entsprechende rund um den Pool aufgehängte Schilder mit dem Hinweis, dies bitte zu unterlassen, wurden geflissentlich ignoriert. Gerade überlege ich, einfach einige herrenlose Handtücher von den Liegen zu entfernen und mich selbst auf diesen breit zu machen, da entdecke ich tatsächlich noch ein paar freie Exemplare in hinterster Ecke. Das allerdings stört uns überhaupt nicht, da wir so endlich unsere Ruhe haben, ohne ringsherum den Gesprächen, der Musik oder dem Geschnarche anderer Hotelgäste lauschen zu müssen.

Als der Tag sich dem Ende zuneigt, geht es wieder ab zum Abendessen. Komisch, wie schnell sich der Magen im Urlaub an das neue Essverhalten gewöhnt. Gefühlt esse ich im Urlaub fünf Portionen Frühstück und sechs Portionen Abendessen und habe nicht mal ein schlechtes Gewissen dabei.
Und täglich grüßt das Murmeltier – so langsam gewöhne ich mich an die den Weg blockierenden Hotelgäste, die Warteschlangen am Buffet und die viel zu lauten Gespräche am Nebentisch. Aber mal ehrlich, ein klitzekleines Bisschen ist das auch zu erwarten, wenn man in einem großen Hotel urlaubt.

Nachdem wir am folgenden Tag das Frühstück unbeschadet überstanden haben, geht es ab zum Strand. Hier haben wir die Rechnung nur leider ohne den Wind gemacht… Regelmäßig werde ich, mich bräunen wollend auf meiner Liege liegend, in Folge eines kräftigen Windstoßes von meinem Strandtuch zugedeckt. Auch meinen Hut muss ich nach einigen vergeblichen Versuchen niedergeschlagen absetzen und ihn mit meinem Rucksack beschweren. Als der Wind endlich nachgelassen hat, ich zum Testen der Temperatur einen Zeh in Wasser gehalten, mich daraufhin gegen ein Bad im Meer entschieden und mich frisch eingecremt habe, rennt eine Horde kleiner Jungs an meiner Liege vorbei und bringt nicht nur eine immense Lautstärke mit sich, sondern wirbelt auch so viel Sand auf, dass ich mich danach fühle wie ein paniertes Schnitzel. Also doch das Bad im Meer. Als wir uns mit etwas Trinkbarem erfrischen wollen, staunen wir an der Strandbar nicht schlecht über den etwas hoch geratenen Preis von 5 Euro für eine Dose Cola. Ein bisschen desillusioniert und durstig machen wir uns auf den Weg zurück zum Hotel, wo wir uns dann über etwas erschwingbarere Kaltgetränke freuen dürfen. Hier im Hotel lässt sich gut der Urlaubsrhythmus der anderen Gäste beobachten (und ich dachte, ICH wäre faul): Essen – liegen- essen – liegen – essen – liegen. Auch wenn das teilweise zum Urlaub dazugehört und verlockend scheint, so bin ich doch froh, dass ich meine Zeit außerdem mit etwas Bewegung, Fotografie und einigen Ausflügen fülle.

IMG_5510So wiederholt sich alles auch die folgenden Tage – Gedränge beim Essen, sinngemäße Prügeleien um die Spiegeleier, blockierte Liegen am Pool. Das Gute ist: Irgendwann tritt Gewöhnung ein – und das sogar relativ schnell. Und selbst wenn man nicht in jeder Situation vollkommene Entspannung finden kann, so hatte man meistens trotzdem eine erholsame Zeit, wenn der Urlaub zu Ende geht. Bis man in aller Herrgottsfrühe in den Flieger zurück nach Hause steigt – und wieder eine Lehne vor der Nase und Füße im Rücken hat.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. maikindonline

    Hallo Lena,
    ich kann einige der beschriebenen Situationen gut nachvollziehen. Vor ein paar Wochen war ich im Urlaub auf Mallorca und der Massentourismus an einigen Orten hat mich wirklich gestört. Hotel an Hotel, welche die Strände kaputt machen; Restaurants wie „Munchner Kindl“, in denen deutsche Touristen Schnitzel essen und ein Souvenirstand am anderen. Außerdem sind viele der schönen Strände, Städte und Sehenswürdigkeiten voller Touristen gewesen, wie z.B. Sollér.
    Um den Stress am Hotel aus dem Wege zu gehen buche ich fast ausschließlich nur noch Airbnbs. Dort umgibt man sich nur mit den Leuten, mit denen man sich umgeben möchte; es ist meist günstiger und man lernt die Gegend noch authentischer kennen. Und ob man zu den Haupt Sehenswürdigkeiten mit hunderten Touristen fahren möchte muss man wohl selbst entscheiden.. zum Glück gibt es meist ein paar Ecken die unbekannter sind 🙂
    Alles Liebe, Lena

    1. Lena

      Hi! Danke für deine Meinung. Ich habe mit Airbnbs auch sehr gute Erfahrungen gemacht und treibe mich nur noch selten in den großen Touristenregionen herum. In diesem Fall hatte ich aber irgendwie einfach nochmal Lust auf einen faulen Pauschalurlaub – und ein bisschen amüsieren konnte ich mich ja glücklicherweise 😀 Liebe Grüße!

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